Seraphim by Kathrin Lange

Seraphim by Kathrin Lange

Autor:Kathrin Lange [Lange, Kathrin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783746624563
Herausgeber: Weltbild
veröffentlicht: 2008-09-30T22:00:00+00:00


15. Kapitel

Bettine Hoger erwachte lange vor Sonnenaufgang und fragte sich, was sie geweckt haben mochte. Sonst schlief sie meistens bis weit in den Vormittag hinein, weil die Tränke, die Katharina ihr gab, sie müde machten.

Heute jedoch verspürte sie eine innere Unruhe, die gänzlich anders war als jene, die die melancholia verursachte. Etwas stimmte nicht. Aber sie wusste nicht, was es war.

Sie setzte sich auf.

Die Vorhänge an ihrem Bett waren, wie immer, nicht ganz zugezogen, so dass sie zum Fenster schauen konnte. Draußen war es ebenso stockfinster wie im Zimmer.

Und dann wusste sie, was nicht stimmte.

Hogers Zimmer lag direkt neben ihrem, und sonst waren die Geräusche, die er im Schlaf von sich gab, durch die dünnen Wände deutlich zu hören: das ohrenbetäubende Schnarchen, sein angespanntes Gemurmel, wenn es in seinem Geschäft Probleme gab, oder auch seine kräftigen Darmwinde, wenn er zu Abend Zwiebeln gegessen hatte.

Jetzt jedoch vernahm Bettine nichts von alledem.

Sie lauschte, ob Hoger vielleicht unten im Haus rumorte. Manchmal holte er sich mitten in der Nacht etwas zu essen oder zu trinken.

Aber auch der Rest des Hauses lag in tiefer, fast unnatürlicher Stille.

Bettine schwang die Füße aus dem Bett. Auf nackten Sohlen huschte sie zu ihrer Zimmertür, öffnete sie. Stille. Dick wie Sirup kam sie Bettine vor, und ihre Ohren fühlten sich an wie zugepfropft.

Sie ging zum Zimmer ihres Mannes und warf einen Blick hinein. Das Bett war leer, aber Decke und Laken waren zerknüllt und hingen zu Teilen auf den Boden.

»Hoger?« Bettines Stimme hörte sich klein und zaghaft an in den langen Fluren des Hauses.

Sie erhielt keine Antwort, also ging sie den Gang entlang und die Treppe nach unten.

»Hoger?«, rief sie wieder, etwas mutiger jetzt.

Im Untergeschoss, wo die Küche und die Zimmer der Dienstboten lagen, regte sich etwas. Dann wurde eine Tür geöffnet.

»Herrin?« Es war Edith. Sie gähnte. »Stimmt etwas nicht?«

Schnell lief Bettine zu ihr hinunter. Edith hatte eine Kerze angezündet, die ihren Schatten zu einer grotesken Gestalt verzerrt auf die Wand hinter ihr warf.

»Der Herr ist nicht da.«

»Er wird draußen im Hof sein«, vermutete Edith. Sie trug nur ein leichtes Nachtgewand, und als Bettine ihr jetzt die Kerze abnahm, griff sie nach dem tiefen Ausschnitt und hielt ihn zu. Draußen im Hof befand sich die Latrine des Hauses.

Bettine schüttelte den Kopf. »Ich habe schon zweimal nach ihm gerufen. Wenn er auf dem Abtritt wäre, hätte er mich gehört.«

»Vielleicht will er nicht gestört werden. Er hat gestern Abend bei der Aalpastete reichlich zugelangt, und Ihr wisst, dass er sie nicht gut verträgt.«

Bettine war nicht überzeugt. Auf ihren Armen hatte sich eine Gänsehaut gebildet, und nun wuchs von Moment zu Moment ihr ungutes Gefühl. »Hast du die Tür zur Küche zugemacht?«

»Natürlich. Wie immer.«

Die Küchentür stand einen Spalt breit offen.

Bettine hob die Kerze. Ein Stück des Küchenregals war zu sehen, mehr nicht. »Komm!« Sie trat zu der Tür und schob sie auf.

Das Licht der Kerze fiel auf den großen Herd mit der schweren Eisenabdeckung, auf der ein kleiner Haufen Kohlen unter einer dicken Schicht Asche vor sich hin glomm, dann auf das Regal mit den Töpfen und Pfannen.



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